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Rinderzucht in Österreich: Zwischen Tierseuchen, Exportdruck und digitalen Innovationen

Blauzungenkrankheit, Exportstopp und neue Führung: Die Vollversammlung der RINDERZUCHT AUSTRIA zeigt, wie Österreichs Rinderwirtschaft Herausforderungen mit Innovation begegnet.

Kritische Lage für Österreichs Rinderzucht: Seuchen und Tiertransporte belasten Branche

Die diesjährige Vollversammlung der RINDERZUCHT AUSTRIA, die am 16. April 2025 in Villach stattfand, stand im Zeichen großer Herausforderungen: Tierkrankheiten, eine angespannte Exportlage und die mediale Kritik an Tiertransporten prägten die Diskussion. Der scheidende Obmann Sebastian Auernig betonte die Belastung, die durch negative Berichterstattung über Tiertransporte auf die heimischen Züchter:innen einwirkt – insbesondere beim Export von Kalbinnen. Zusätzlich verschärfte die seit Herbst 2024 nachgewiesene Blauzungenkrankheit die Marktsituation. Die Bundesregierung reagierte mit verschärften Maßnahmen, um eine Ausbreitung – insbesondere aus den Nachbarstaaten Slowakei und Ungarn – einzudämmen.

Internationaler Auftritt als strategische Maßnahme

Trotz erschwerter Rahmenbedingungen setzt die RINDERZUCHT AUSTRIA auf internationale Präsenz, etwa bei der Messe EuroTier in Hannover. Der gemeinsame Auftritt mit Schaf-, Ziegen- und Pferdezüchtern unterstreicht Österreichs Anspruch auf qualitativ hochwertige Zuchttiere. Ziel ist es, sowohl wirtschaftlich attraktive Märkte zu erschließen als auch die Relevanz heimischer Zuchtlinien zu stärken.

Forschung und Innovation als Zukunftsstrategie

Der neue Obmann Thomas Schweigl hob in seiner Rede besonders die Forschungsarbeit hervor. Projekte wie NEU.rind, das Nachhaltigkeit und Effizienzbetriebe digital bewertet, sowie breed4green, das Futtereffizienz untersucht, sind wegweisend. Auch das Engagement im europäischen Datenraum CEADS und internationale Forschungskooperationen zur Reduktion von Methanemissionen (u. a. mit dem Projekt Global Methane Hub) zeigen, dass Österreich eine aktive Rolle in der Weiterentwicklung der Rinderhaltung einnimmt.

Vermarktung unter Druck – dennoch beachtliche Exportzahlen

Trotz der veterinären Einschränkungen konnten im Jahr 2024 rund 27.362 Zuchtrinder exportiert werden. Dies entspricht nur einem Rückgang von 6,2 % gegenüber dem Vorjahr. Der wirtschaftliche Wert der Exporte lag bei rund 55 Millionen Euro – bei einem Gesamtwert der Rinderwirtschaft von 77 Millionen Euro allein im ersten Halbjahr 2024. Ein wesentlicher Pfeiler war dabei der frühe Jahresbeginn vor den Blauzungen-Auswirkungen.

Digitale Bildung und Kommunikation im Fokus

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen wird verstärkt auf Wissensvermittlung gesetzt. Der neue Social-Media-Kanal Rinder Zucht Data Wissen bietet aktuelle Fachinformationen zur Zuchtwertschätzung, Forschung und Aus- und Weiterbildung. Projekte wie Jungzüchterprofi oder der I-Kuh-Workshop sollen jungen Landwirt:innen praxisnahes Wissen vermitteln.

DV als Schlüssel zur modernen Rinderwirtschaft

Die ZuchtData EDV GmbH vermeldete eine hohe Nutzung digitaler Angebote: Über 12.000 Betriebe nutzen RDV-Mobil, fast 6.000 den LKV-Herdenmanager. Neue Funktionen – etwa die geburtsnahe Erfassung oder Roboterdaten-Auswertungen – stärken die Effizienz der Betriebe. Über 2.000 Höfe setzen bereits auf automatisierte Melksysteme, Tendenz steigend.

Nutzungszahlen ZuchtData-Systeme in Österreich (2024):

Anwendung Nutzer:innen
RDV-Mobil 12.047 Betriebe
LKV-Herdenmanager 5.800 Betriebe
RDV-Push-Nachrichten 2.900 Betriebe
Vermarktungsanmeldung 1.400 Betriebe
Anpaarungsplaner 1.200 Betriebe
Automatisches Melksystem >2.000 Betriebe

Neuer Vorstand, neuer Kurs?

Mit der Wahl von Thomas Schweigl zum neuen Obmann stellt sich die RINDERZUCHT AUSTRIA personell neu auf. Schweigl folgt auf Sebastian Auernig, der sich aus persönlichen Gründen zurückzog. Unterstützt wird er künftig von Matthias Bischof, Obmann von Rind Steiermark. Schweigl zeigte sich dankbar für das Vertrauen der Mitglieder und betonte die Bedeutung der bisherigen Weichenstellungen seiner Vorgänger.

Fazit: Zwischen Krisenmanagement und Aufbruch

Die österreichische Rinderzucht steht unter Druck, nutzt aber Forschung, Digitalisierung und internationale Kooperationen als Hebel für Stabilität und Weiterentwicklung. Die neue Führungsriege muss diesen Kurs nun mit starker Kommunikation und praktischen Lösungen weiterführen – für eine wirtschaftlich tragfähige, gesellschaftlich akzeptierte und ökologisch nachhaltige Zukunft der Rinderwirtschaft.

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